Einzig über Liebe nachzudenkent hat irgendwie gleich so etwas Pathetisches. Weil man gelernt hat wie groß die Liebe doch ist, wie unbeschreiblich sie sein kann. Noch mehr wenn man versucht über sie zu schreiben. Denn sie wurde seit es Menschen gibt vermutlich millionenfach beschrieben, besungen, bejubelt und verteufelt. Immer und immer wieder. Man hat versucht sie wissenschaftlich zu ergründen aber auf die Schliche gekommen ist ihr doch eigentlich niemand. Warum? Weil sie für jeden etwas anderes ist. Für manche ist sie das große Ding ihres Lebens, der es nachzujagen gilt, sie gar bis zur absoluten Verzweiflung zu suchen, um irgendwann ernüchert aufzugeben, wenn sie sich einfach nicht zeigen möchte. Andere begegnen ihr ganz unerwartet und plötzlich mit einem lauten Knall. Sie bricht wie ein Gewitter über zwei Menschen herein und dann stehen sie da völlig verdattert, unfähig auch nur ein gerades Wort zu sagen, so hat es sie erwischt. Und wieder andere erleben sie ganz sanft und leise weil sie sich langsam aber sicher in einem ausbreitet, fast unbemerkt und über eine längere Zeit. Es ist fast so als sei sie eine Katze, die auf leisen Pfoten um einen herumschleicht und man sie nur ab und an wahrnimmt ehe sie wieder lautlos verschwindet. Und eines Tages wird einem bewusst: Sie war die ganze Zeit da aber erst jetzt zeigt sie sich gänzlich und allumfassend. Von einem Moment auf den anderen ist es einem klar geworden, wie Schuppen von den Augen gefallen.
Auch ändert sie sich im Laufe eines Lebens ständig. Denn sie ist nichts, das unverändert und starr immer die gleiche bleibt. Sie wandelt sich, sie verwandelt sich, kann ganz flüchtig oder beständig sein, dann verschwindet sie und kann auch wieder zurückkehren – wenn auch eher selten. Mal wird sie aus einem Gefühl von Urknall und Explosion zu einem ruhigen, sanften Vertrauensgefühl, das sich sanft über die Liebenden legt wie eine Decke, die vor Kälte schützt. Mal verblasst sie im Laufe der Jahre bis sie sich fast unmerklich auflöst und zwei Menschen entzweit ohne, dass es die beiden bewusst bemerkt hätten. Die Liebe wandelt sich mit den Menschen, die sie erfahren. So auch für mich.
Früher dachte ich Liebe sei dieser eine Moment, dieser eine Blick, in dem du dir sicher bist: Das muss sie sein. Das ist die Liebe, ohne Zweifel. Dann ist da nichts als pure Verschmelzung von zwei Körpern, zweier Herzen und zweier Seelen. Nichts mehr und nichts weniger. Was ich damals nicht bedachte war: Wer hoch fliegt, der fällt tief. Unsere Lebenserfahrung ist geprägt von Dualität. Ohne Licht kein Schatten, ohne Nacht kein Tag, ohne Liebe kein Verlust. Somit fliegen wir alle, wenn wir hoch fliegen dürfen, auch gehörig wieder auf die Nase. Und je höher der Flug geht, desto tiefer ist der Absturz danach. Irgendwann wenn die Nase oft genug vom Sturz geblutet hat, ändert man seine Strategie. Man mag sich nicht mehr die Nase aufschlagen, nicht mehr die zig Wunden lecken bis sie irgendwann geheilt sind und blasse Narben zurücklassen. Was passiert? Man verschließt sein Herz aus Angst, lässt sich nur noch bis zu einem bestimmten Grad ein, um stets Herr aller Sinne zu sein und bloß nicht die Kontrolle über Flughöhe und Geschwindigkeit zu verlieren. Kontrolle und Liebe schließen einander aber aus. Zumindest gleichzeitig. Wer sich selbst und sein Herz kontrolliert, der kann nicht lieben. Der hat allenfalls jemanden lieb. So auch ich. Ich hatte jemanden lieb aber reicht das für ein Leben? Nein, denn der Wunsch nach dem Wahren und Großen ist dennoch da, auch wenn das Herz damit nicht einverstanden ist. Aus Angst zu fallen und wieder auf den Boden der Tatsachen aufzuschlagen. Man versucht es als nächstes meist auf die sanfte Tour. Man möchte sich selbst an sie heranschleichen, ganz vorsichtig einen klitzekleinen Spalt im Herzen aufmachen, um im Notfall, zack, den Riegel wenn Gefahr droht wieder zu schließen. Und diese Gefahr, ja die ist allgegenwärtig. Man könnte zum Beispiel nicht gleichermaßen zurückgeliebt oder betrogen oder hintergangen oder von heute auf morgen verlassen werden oder, oder, oder. Wenn es dann so kommt, dass man es geschafft hat den minikleinen Spalt kurz zu öffnen und man doch den Riegel aus einem der unzähligen Gründe wieder zuschieben muss, dann wird es beim nächsten Mal noch mehr Überwindung kosten.
Aber hat man eine Wahl? Nein, nein und nein. Jede einzelne Erfahrung ist es wert gelebt zu werden. Jede einzelne Liebe ist es wert geliebt zu werden, denn das ist es um was es geht: Mit jeder Erfahrung, mit jeder neuen Form, jeder Facette und Intensität der Liebe, dem Großen, dem Ganzen ein kleines Stückchen näher zu kommen. Und wieder klingt es nach Pathos aber das ist okay. Denn was wäre die Liebe wenn wir damit aufhören sie mit einem klein wenig verklärten Blick zu betrachten? Wir würden niemals mehr das Risiko eingehen erneut unser Herz zu öffnen weil es uns nicht wert wäre. Dieses Riskio zum x-ten Mal zu fallen. Aber für den Flug allein und dieses Kribbeln im Bauch sind wir bereit all das, was danach kommt, in Kauf zu nehmen. Und weil wir am Ende des Tages doch niemals aufhören an sie zu glauben: An die einzig wahre, die echte, die wahrhaftige Liebe, die bleibt.
Für immer.
Wow, Bekki, das hast du wunderbar beschrieben. So ist es. Diese Zeilen haben mich schwer beeindruckt und ich denke du hast den Nagel voll auf den Kopf getroffen. LG, Martin aus Pettersson’s Schafstall
LikeGefällt 1 Person