Seit einer scheinbaren Ewigkeit sitze ich an meiner geöffneten Terrassentür und starre nach draußen. Das Gewitter entfaltet sich gerade mit voller Wucht über meinem Haus und der Regen ergießt sich laut über alles. Ich lausche dem Donnern, dem plätschernden Geräusch wenn die Regentropfen auf die Terrassenfliesen prasseln aber vor allem sauge ich diesen Duft ein. Es riecht nach diesem frischen Regenduft, der nur ein Sommergewitter zu verströmen vermag. Es ist eine Erleichterung für mich, dieser Moment des Sitzens und der Stille. Ein Wohltat gerade dem Donner im Außen zu lauschen weil er im Innern endlich Ruhe gibt. Nach zwei Wochen, in denen ich gefühlt meine Stimme verloren hatte, nicht in der Lage auch nur ein Wort zu schreiben. In denen ich weit davon entfernt war bei mir selbst und zentriert zu sein, durchgehend neben mir selbst stehend. Während innendrin der Sturm wütet. Ein Sturm an Gefühlen, gegen die man sich wert, bis man sich erinnert, dass es doch okay ist sie rauszulassen. Dass es okay ist diesen Schmerz und diese Traurigkeit zuzulassen und, dass es zum Leben gehört wenn Verletzungen immer mal wieder betrauert werden möchten und sich ihren Weg an die Oberfläche suchen.
Gefühlt zurück katapultiert
Obwohl ich mittlerweile vieles verstehe, wie besessen lese und nie aufhöre zu lernen, gibt es Zeiten, in denen ich irgendwie zurückfalle. Zumindest fühlt es sich so an. Dann gerate ich in einen Zustand, in welchem ich nicht einmal im Ansatz weiß was ich brauche damit es mir gut geht, scheinbar Meilen davon entfernt bin meine Bedürfnisse zu spüren, geschweige denn einen Weg aus der emotionalen Misere sehen kann. Wenn man in einem Umfeld groß wird, in welchem keiner der Beteiligten in der Lage ist seine individuellen Bedürfnisse zu spüren, sondern nur aus dem eigenen Gefängnis heraus agiert, wütet und verletzt, da gibt es nicht viel Spielraum für ein Kind die seinen kennenzulernen. Nicht nur, dass sie keine Rolle spielen, übergangen oder missachtet werden, es bekommt ja nicht vorgelebt, dass es sie überhaupt gibt, geschweige denn gelebt werden können. Das fängt bei den banalsten Dingen an: Welche Musik mag ich, welche tut mir gut oder wie kann ich mich entspannen außer mir Alkohol reinzuschütten? Nichts ist da, was es zu lernen gäbe. Nur Destruktivität. Und ein Leben, das einem Überleben gleicht aber mehr auch nicht.
Trauerzone und Lichtblick
Das gute ist ja: Gefühle kommen und gehen. Trauer über Vergangenes ist okay, dann schüttelt es dich innerlich einmal so richtig durch, die Tränen fließen in Strömen aber jeder Strom verebbt früher oder später. Irgendwann ist es dann auch wieder gut. Ich stehe auf und erinnere mich wer ich bin, vor allem wer ich heute bin und was ich brauche. Denn so wichtig es ist, Dinge zu betrauern, so wichtig ist es gleichermaßen voranzuschreiten, sich nicht auf Erlebtem auszuruhen oder damit den eigenen Mangel zu entschuldigen. Denn ich allein entscheide heute wie es mir geht. Und dann kommt sie früher oder später auch wieder, die Zentriertheit, die selbst erlernte Fähigkeit zu wissen wo ich stehe, was ich brauche und was auch nicht. Steh auf und mach weiter sage ich mir dann und mit einem Mal kommen sie ganz sachte wieder, diese Momente des vollen Bewusst-Seins. So bin ich gerade glücklich den Duft des Gewitterregens, den ich so sehr liebe, in meine Lungen einsaugen zu können. Einfach nur sitzen und fühlen, riechen und lauschen, so ganz nach bei mir selbst. Dann bin ich wirklich glücklich. Weil die Trauer da sein aber auch wieder gehen darf.
Und ganz plötzlich wird der Regen leiser bis er vollständig aufhört und sich die dichte, dunkle Wolkendecke lichtet. Wenn ich dann noch wenige Momente länger sitzen bleibe, blinzelt die Sonne hier und da hervor. Ich setze mich an den Tisch und schreibe diese Zeilen, weil ich just in diesem Augenblick auch meine Stimme wiedergefunden habe.
Wunderschön geschrieben! ❤
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☺
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